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Münster
 
1953: In England wird Elizabeth II. zur Königin gekrönt, in Russland stirbt Josef Stalin, Edmund Hillary und Tenzing Norgay bezwingen den Mount Everest, der 1. FC Kaiserslautern wird Deutscher Fußballmeister, Konrad Adenauer wird zum zweiten Mal zum Bundeskanzler gewählt, der CDU-Kandidat in Münster holt 67,8 % der abgegebenen Erststimmen. In Hollywood produziert das Studio 20th Century Fox als Antwort auf das Fernsehen mit Das Gewand den ersten Film im CinemaScope-Format, also mit doppelter Bildbreite.
In Münster befindet sich zu diesem Zeitpunkt am Kanonierplatz gerade ein neues Kino im Bau, das 13. in Münster. Als der damalige Geschäftsführer der Münsterschen Filmtheater-Betriebe bei den Filmfestspielen in Cannes eine denkwürdige Aufführung von Das Gewand sieht, ruft er umgehend in Münster an und veranlasst, dass das neue Kino unbedingt CinemaScope-fähig sein müsse. Und so geschieht es: Am 31. Dezember 1953 eröffnet das Schloßtheater mit seinem 600 Plätze fassenden Saal und einem großräumigen Foyer – ein Kino, das in vorführ- und tontechnischer Hinsicht vollkommen auf der Höhe der Zeit ist. In der Münsterschen Zeitung war damals zu lesen: „Ein Blick auf die im Schloßtheater angekündigten Filme läßt uns erwarten und glauben, daß dieses verpflichtende Niveau auch in der Programmgestaltung eingehalten wird.“
 
Die Hoffnung des Autors sollte nicht enttäuscht werden, die Erwartungen eines anspruchsvollen Kino- publikums erst recht nicht. Heute ist das Schloßtheater nicht nur das älteste existierende, sondern auch das für sein Programm am häufigsten ausgezeichnete Kino in Münster – bereits mehr als 100 Mal wurde es seit 1953 vom Bund und vom Land Nordrhein-Westfalen für sein herausragendes Jahres- und Kinderprogramm prämiert. Dass zur Eröffnung des Hauses der Film Die Schönen der Nacht von René Clair sowohl in der deutschen Synchronfassung als auch – in Sondervorstellungen – in der französischen Fassung mit deutschen Untertiteln gespielt wurde, sollte programmatisch sein für die Zukunft des Kinos. Das Schloßtheater, seit 1953 in der Gilde deutscher Filmkunsttheater e. V. – seit 2003 in der Arbeitsgemeinschaft Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater und seit 1998 Mitglied von EUROPA CINEMAS, war mit seinem Programm von Anfang an dem europäischen Film als wichtigem und wesentlichem Bestandteil moderner Kultur verpflichtet. Besuche von Regisseuren und Schauspielern aus ganz Europa, die ihre Filme persönlich vorstellen und sie mit dem Publikum diskutieren, unterstreichen diese Verpflichtung ebenso wie zahlreiche zusätzliche Angebote. So spielt der filmclub münster, der älteste noch aktive Filmclub Deutschlands, nach wie vor im Schloßtheater seine mit viel Liebe zur Filmkunst zusammengestellten Programme. Ebenso beherbergt das Schloßtheater das von der Filmwerkstatt Münster im Zwei-Jahres-Rhythmus veranstaltete Filmfestival Münster (ehemals Filmzwergetreffen). Zudem findet hier seit 1998 das 1983 gegründete Kinderfilmfest Münster statt, das mittlerweile mit seinem Wettbewerbsprogramm weit über die Grenzen von Münster hinaus bekannt und geschätzt ist.
 
Im Jahre 1984 wurde das bis dato Ein-Leinwand-Kino grundlegend umgebaut, um durch zwei zusätzliche Leinwände das typische „Schloß“-Angebot erweitern und das Programm flexibler präsentieren zu können. Seitdem verfügt der große Saal über 238 Sitzplätze, die beiden kleineren Säle Woody und Movie über 91 und 92 Plätze. (Fußnote: Das Woody war eine Referenz an Woody Allen, das Movie hieß ursprünglich Smoky, denn man durfte da während der Vorstellung rauchen – was für schlimme Zeiten das doch waren!)
 
Ein weiterer umfassender Umbau wurde 2008 im Foyer des seit den 1990er Jahren unter Denkmalschutz stehenden Hauses vorgenommen. Dort wird dem Publikum seitdem mit kleinen Speisen und ausgesuchten Weinen ein besonderes kulinarisches Angebot gemacht. Dabei wurde sorgsam darauf geachtet, den besonderen Charakter des Hauses, wie er sich zur Eröffnung 1953 präsentierte, nicht leichtfertig zu verändern. Von einer „dezenten Ausstrahlung der Einrichtung, bei der man durchweg auf Schnörkel und modische Spielarten zugunsten einer großflächigen, klaren und vornehmen Wirkung verzichtet“ hat, war seinerzeit im erwähnten Artikel der Münsterschen Zeitung zu lesen. Noch heute ist das ein nachhaltiger Eindruck, den das Kino am Kanonierplatz auch bei auswärtigen Besuchern hinterlässt und in begeisterten Kommentaren niederschlägt nach dem Motto: Schön, dass es solche Kinos mit dem entsprechenden Ambiente heute noch gibt. Am nachhaltigsten aber ist ohne Zweifel die Qualität des Programms, der Garant für viele weitere Jahre Schloßtheater in Münster. Das Jubiläumsjahr 2023 werden wir zwölf Monate lang mit zahlreichen Aktionen und Sonderprogrammen feiern, über die wir beizeiten informieren.
 
Ein orthographischer Appendix: Ja, es heißt nach wie vor Schloßtheater und nicht Schlosstheater, obwohl das Wort Schloss ja seit der Rechtschreibreform von 1996 nicht mehr mit einem ß geschrieben wird. Da die traditionelle markante Namens-Leuchtschrift auf dem Dach des Kinos aber die alte Schreibweise in der charakteristischen Schrifttype aufweist und wie der Rest des Gebäudes dem Denkmalsschutz unterliegt, bleibt unser Schloss – sorry, Duden-Redaktion – ein Schloß. So lange es existiert. Hipp, hipp, hurra!

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